Objekt des Monats September 2020
Motivfliese mit handgemalter Darstellung eines tanzenden Mädchens
Maße: 15cm x 15cm x 0,6 cm
Heller Scherben, mehrfarbige Pinselmalerei, transparente Glasur
1930er – 1940er Jahre
Rohfliese: Boizenburg
Dekor: Hedwig Bollhagen Werkstätten Marwitz
Ankauf durch den Förderverein 2018
Inventar-Nr. 004/3354
Auf der Sichtfläche dieser Wandfliese posiert behände eine Tänzerin mit einem Reifen in jeder Hand, stolz, als hätte sie soeben ihre Darbietung absolviert. Ein Stempel auf der Rückseite verrät: Handbemalt und vollendet wurde diese Fliese in den Hedwig Bollhagen Werkstätten in Marwitz. In der hier verwendeten Variante, d.h. mit dem Schriftzug „HB Keramik Velten, handgemalt“ ist der Stempel typisch für die 1930er und 1940er Jahre. Wir sprechen also vom ersten Schaffensjahrzehnt Bollhagens im eigenen Betrieb. Handbemalte oder aufwendig dekorierte Fliesen waren in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ein populäres Element in Architektur und Inneneinrichtung.
Auch Kataloge von Hedwig Bollhagen aus den späten dreißiger Jahren weisen zahlreiche Varianten und Größen aus, ob für die Wand, für Fliesentische oder einzeln als Untersetzer. Allerdings sprechen die Beschreibungen in den HB-Katalogen von „Kacheln“, obwohl genau genommen Ofenkacheln sich durch die völlig andere Anatomie, insbesondere durch den Kachelrumpf, von den flachen Fliesen-Platten unterscheiden. Der Katalog von 1938/39 zeigt eine komplette Fliesenserie mit dem Dekor „Tanzende Mädchen“. Jede Kachel zeigt die Tänzerin dabei in der Bewegung eingefroren, so dass die Fliesen sich aneinander gereiht zu einer Tanzsequenz ergänzen. Neben floralen Motiven existierten weitere figürliche Motivreihen, u.a. ein Soldat oder eine Holländerin in Tracht. Auch hier sind die Figuren zusammengesetzt aus exakten Pinsellinien und kurzen Bögen, was die Bewegung nicht nur andeutet, sondern betont.
Die Rohfliese selbst wurde in vorliegenden Beispiel nicht in den Marwitzer Werkstätten hergestellt, sondern stammt aus Boizenburg, damals Europas größter Produzent von Wand- und Bodenfliesen. Gegründet im Jahre 1902, wuchs die Boizenburger Plattenfabrik rasant und veränderte die Stadt, ähnlich wie im 19. Jahrhundert die Ofenindustrie den Ort Velten verändert hatte.