Objekt des Monats Juni 2025

grün glasierte Riemchen der Säulen im Sporthotel des Sportforums Berlin Weißensee

Hedwig Bollhagen Werkstätten
1981-1983

Maße H: 20 cm B: 1,6 cm | T: 2 cm

Material und Technik: stark schamottierter Ton, ziegelroter Scherben, olivgrüne, glänzend Glasur, teilweise zerbrochen, Mörtelreste

Abbau der baukeramischen Riemchen vor Ort am 20. Mai 2025 mit Erlaubnis und Unterstützung durch die Periskop Development GmbH

Es war wohl eine Rettung in letzter Minute. Sonst wären diese Riemchen an den Säulen im ehemaligen Sporthotel Weißensee möglicherweise Opfer von Abriss oder Zerstörung geworden wie viele baukeramische Zeugnisse der DDR. Dass diese nicht vergessen wurden verdanken wir auch den Recherchen von Dr. Kristina Heide, welche aktuell zu den künstlerischen Baukeramiken der HB-Werkstätten forscht und diese, wenn noch vorhanden, vor Ort dokumentiert. Für das Areal, auf dem die Ruine des Sporthotels noch steht, wird derzeit eine Neunutzung und -bebauung mit dem Ziel der Stadtteilentwicklung geplant. Der Abbau der Riemchen ermöglicht, die Glasur, deren Farbspiel sich je nach Lichteinfall verändert, und den schamottierten Scherben genauer in Augenschein zu nehmen. Eine kleine baukeramische Anatomielektion.

Dr. Kristina Heide ordnet die Säulen und ihre Bedeutung kunsthistorisch ein:

Das Sportforum Weißensee war ein Prestige-Objekt der DDR der 50er und frühen 60er Jahre. An der Entstehung der Dynamo-Sporthalle des Sportforums waren 1958-61 die HB-Werkstätten mit großen baukeramischen Aufträgen zur Innenausstattung beteiligt. HB gestaltete in Braun- und Beigetönen geflammte die sogenannten "Dynamo-Fliesen" für Theken und Wände sowie Riemchen für Säulen, Waldemar Grzimek und Wolfgang Frankenstein figurative Sportlerdarstellungen als Naturstein-Mosaik und  keramische Wandbilder. 1960-62 wurde die Anlage durch ein dreigeschossiges Sportlerhotel ergänzt. 1981-83 wurde das Ensemble durch ein Kongresszentrum bereichert.“

Offenbar erinnerte man sich noch an HB als Gestalterin der Dynamosporthalle und übertrug ihr die Neugestaltung der Säulen des Speisesaals. Der Raum wurde nun in warmen Grün- und Brauntönen, mit freundlich hellen Korblampen und farblich passenden Vorhängen sowie kleinen, modernen, in die geflieste Stirnwand integrierten Sportlerreliefs ausgestattet. Die dominanten Säulen gestaltete HB mit ausgesprochen feinen, langen Riemchen und sehr schmalen, dunkelgrauen Fugen. Hierdurch behielten die ohnehin kräftigen Säulen ihre - nun rustikalere - Eleganz, obwohl sie durch die Riemchen und deren Verlegung im Putzbett einen Umfang von 183 cm bei einer Höhe von nur 260 cm erreichten.“ 

Kristina Heide unterstreicht, dass dies die letzten Säulen der HBs waren, sich aber auch hier zeigt, wie sie mit ihrer keramischen Expertise, der handwerklichen Fertigung und der Materialwahl den Baukeramiken im Gebäude eine eigene, charakteristische Präsenz verleiht.