10. NOVEMBER 2024 • 117. Geburtstag Hedwig Bollhagens
14:30 UHR Vernissage der neuen Sonderausstellung
UND WIR WOLLEN WEITER „PROBIEREN“!
Probestücke und ausgeführte Werke Charles Crodels aus dem Nachlass Hedwig Bollhagens
(Laufzeit: 10.11. 2024 – 31. 05. 2025)

Kiloschwere, schamottegrobe Wandplatten zeigen fantasievolle Gartenlandschaften, bewohnt von mythologischen Wesen und quicklebendigen Tieren. Skizzenhaft, ja spontan anmutend hat der Maler und Grafiker Charles Crodel vor knapp einem Jahrhundert diese baukeramischen Welten geschaffen, visuell und technisch anspruchsvoll mit der Ritztechnik, mehrlagigen Engoben und zarter, farbiger Fayencemalerei. Erstmalig gewährt die neue Sonderausstellung im Hedwig Bollhagen Museum den Blick auf die Bandbreite der Kooperationen zwischen Crodel und der Keramikerin Bollhagen in den noch jungen Werkstätten in Marwitz.

Möglich wird die neue Ausstellung durch einen außergewöhnlichen, in sich geschlossenen Sammlungsteil innerhalb des keramischen Nachlasses von Hedwig Bollhagen. Dieser ist als „bewegliches Denkmal“ eine Sammlung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und nationales Kulturgut. Die knapp 1600 Einzelobjekte fanden 2014/2015 im Veltener Hedwig Bollhagen Museum eine Heimat und bilden dort die Grundlage für die Dauerausstellung, wechselnde Sonderausstellungen und wissenschaftliche Forschung. Darin finden sich auch 136 Objekte beziehungsweise Objektgruppen von Charles Crodel, einem langjährigen Weggefährten Bollhagens.

Schwerpunkt der Ausstellung ist das Arbeitsfeld der Baukeramik und die gestalterischen Möglichkeiten, welche Bollhagen und Crodel vor allem in den 1930er Jahren durch ihr gemeinsames „Probieren“ – das Experimentieren mit Material und Technik –entwickelten. Komplettiert wird die Ausstellung durch kunstvolle Gefäße und Gebrauchsgegenstände, die Crodel, auf dem Feld der Keramik Autodidakt, entwarf, sowie zahlreiche Fotografien und faszinierende Probestücke. Zwischen 1937 und 1963 verwirklichten sie zusammen insgesamt sechs baukeramische Großprojekte. Gelegentlich malten sie sogar gemeinsam am selben Objekt. Die Ausstellung blickt so auch auf eine Künstlerfreundschaft in dieser Zeit.

Die Kunsthistorikerin Dr. Kristina Heide trägt mit ihren Forschungen zur Baukeramik der HB-Werkstätten und Künstlerkooperationen maßgeblich zur neuen Sonderausstellung bei und ist mit jedem Blick in HBs Nachlass und auf Charles Crodels keramische Landschaften von neuem begeistert. Die aktuelle Sonderausstellung ist Teil eines langangelegten Forschungsprojekts der Ofen- und Keramikmuseen Velten zur Baukeramik, insbesondere in den HB-Werkstätten. Ihr wird im Jahr 2025 ein zweiter Teil folgen zur baukeramischen Zusammenarbeit Hedwig Bollhagens mit vielen anderen Künstlern.

Künstlerisch wie wirtschaftlich muss man die baugebundene Keramik als ein bedeutendes Produkt verstehen, gerade auch in den Hedwig-Bollhagen Werkstätten Marwitz, die seit ihrer Gründung 1934 an die lange Tradition Veltener Baukeramik, etwa der Richard Blumenfeld AG oder der Steingutfabriken Velten-Vordamm, anknüpften, unterstreicht Museumsleiterin Nicole Seydewitz.

Zudem sind die baukeramischen Kooperationen der HB-Werkstätten mit 45 unterschiedlichen Künstlern ein prägnanter, aber teilweise vergessener, Teil der Geschichte der DDR-Architektur. Diese „Kunst am Bau“ ist zum großen Teil noch vor Ort erhalten und wird nun zum ersten Mal vollständig fotografisch dokumentiert und systematisch, kunsthistorisch aufgearbeitet. Damit gelingt die Erforschung von Hedwig Bollhagens architektonischem Erbe. Erstmals konnten so beispielsweise Musterplatten und Entwürfe im Nachlass den konkreten Bauprojekten zugeordnet werden.

Nicht nur knüpft das Hedwig Bollhagen Museum damit an das hochaktuelle Thema „Kunst am Bau in der DDR“ an, sondern kann so auch entscheidende Lücken in der Kunst- und Architekturgeschichtsschreibung schließen. Diese Forschung ist seit mittlerweile zwei Jahren ein wesentlicher Teil der wissenschaftlichen Tätigkeit im Hedwig Bollhagen Museum Velten. Die Ergebnisse werden im kommenden Jahr präsentiert. Dafür wird das Museum auch baulich erweitert. Im Rahmen der umfangreichen Sanierungen durch die gemeinnützigen Stiftung Museumsstandort Velten wird eigens ein neuer Raum für die Kapitel Baukeramik bei Hedwig Bollhagen und die HB-Werkstätten in der DDR-Architekturgeschichte geschaffen.

Die jetzige Ausstellung „Und wir wollen weiter: ‚Probieren‘!“, welche am 10. November zu Hedwig Bollhagens 117. Geburtstag eröffnet, widmet sich erstmals den baugebundenden Kooperationen Crodels mit Bollhagen und bildet so den Auftakt im Rahmen dieses Gesamtprojekts zur Baukeramik.

Ausschnitt Wandgestaltung Charles Crodel (Reichsgartenschau 1938) | Nachlass Hedwig Bollhagen: Sammlung Deutsche Stiftung Denkmalschutz/Ofen- u. Keramikmuseum