Objekt der Monate November und Dezember 2023

„MITROPA“-Kaffeekännchen rationell in zwei unterschiedlichen Ausführungen
1969-1990
Maße H 10 cm | B 13 cm | Ø 8 cm
Porzellan, gegossen
weiß, grünes Band (Produktion: Ilmenau)
weiß, blau-goldenes Band (Produktion: Colditz)

Schenkung an den Förderverein Ofen- und Keramikmuseen Velten e.V. in den Jahren 2021 (Lars Lierow) und 2023 (Nicole Seydewitz).

Mit seinem zylindrischen Grundkörper und der schlichten, kantigen Zweckhaftigket besitzt dieses Kännchen einen ungeheuer großen Wiedererkennungswert. Als Massenprodukt der DDR-Porzellanindustrie steht es dennoch auch stellvertretend für ostdeutsches, industrielles Keramikdesign und gehört zum Inventar der DDR-Alltagskultur insbesondere der 1970er und 1980er Jahre, war es doch Teil des meistverbreiteten Geschirrs in öffentlichen Einrichtungen.

Entworfen wurde das „rationell“-Kännchen von Margarete Jahny und Erich Müller 1969/1970. Den Auftrag für einen stapelbaren und ansprechenden Geschirrtyp für die Gastronomie erhielt die Keramikerin Jahny bereits 1965 vom Zentralinstitut für Gestaltung in Ost-Berlin. Anvisiert war vor allem der Einsatz in den neu entstandenen Interhotels der DDR. Dem Entwurf gingen empirische Studien zu den Einsatz- und Arbeitsbedingen in den Hotels voraus. Eine Grundlage bildetet das Glas-Stapelservice von Müller und Jahny aus dem Jahr 1964. Beide Entwürfe prägten die Ansprüche Robustheit, platzsparende Stapelbarkeit und Kombinierbarkeit. Produziert wurde das Geschirrsystem zunächst im VEB Vereinigte Porzellanwerke Colditz. Die Produktion wurde ausgeweitet auf Standort in Kahla und Ilmenau. Bis 1990 lief das Kännchen sozusagen vom Band.

Schnörkellose Rationalität und das Baukastenprinzip waren aber sicher keine Merkmale nur des DDR-Industriedesigns im Bereich der Keramik. Ideenlinien und Einflüsse durchziehen Ost- wie Westdeutsches Design der Zeit und reichen weiter zurück. Unter anderem hatte Jahny in Dresden studiert bei Mart Stam und Marianne Brandt, zwei Bauhausschülern. Schon 1950/51 hatte sie eine Studienarbeit Stapelbaren Geschirrs entworfen, das dem Kännchen „rationell“ sehr ähnlich sieht. Von Erich Müller stammt die Idee für den fallgesicherten nach innen offenen Deckel, dessen Rand sich an der oberen Wulst der Kanne verhakt. 

Obwohl für die Interhotels entwickelt, wurde es auch bald Teil der Alltagsgastronomie: Werkskantinen, Ferienheime, Krankenhäuser und – als wichtigster Abnehmer – das monopolistische Reisegastronomieunternehmen MITROPA. Daher rührt auch die umgangssprachliche Bezeichnung als „Mitropakännchen“, typischerweise versehen mit dem Schriftzug bzw, dem Logo.

Für die Gestaltung des Kännchens hatten Jahny und Müller schlichte ein- oder zweifarbige, umlaufenden Banddekore vorgesehen. Im Jahr 1972 schon wurde diese Formel aufgelöst und es entstand eine Vielzahl von Dekoren, variantenreichen Dekoren abhängig vom jeweiligen Einsatzort. Das Kännchen ohne Servicesystem konnten auch DDR-Bürger im Einzelhandel erwerben, womit es auch in Privathaushalte einzog. Dann mit einer breitgefächerten, farbenfrohen Dekorpalette.

Nach der Wende wurde das Geschirr „rationell“ vielerorts ausgesondert. Ebenso das Kännchen, das aber bald zum (N)ostalgie- und Kultobjekt avancierte.  Für unser Ofen- und Keramikmuseum, das stärker auch auf ostdeutsche Keramik fokussieren wird, gehört das Kännchen der namhaften Formgestalter mit seiner spannenden Geschichte unbedingt dazu.